Wenn die Niere nicht mehr will
Die chronische Niereninsuffizienz – eine allmähliche Funktionsabnahme der Nieren – ist eine häufige Erkrankung vor allem des alten Hundes. Bis zu 45% aller Hunde über 8 Jahre sollen davon mehr oder weniger betroffen sein. Die Krankheit verläuft schleichend und ist anfangs nur mittels Blut- oder Harnuntersuchungen beim Tierarzt erkennbar. Da die chronische Nierenerkrankung meist unheilbar ist, ist es das erste Ziel, sie so früh wie möglich zu erkennen und ihr Fortschreiten zu verlangsamen. Wie ist das möglich, und welchen Einfluss hat die Ernährung darauf, das Leben des betroffenen Hundes zu verlängern und seine Lebensqualität zu verbessern?
Die Nieren nehmen im Stoffwechsel des Organismus von Säugetieren eine entscheidende Stellung ein. Die Bedeutung als Harn-Ausscheidungsorgan ist allgemein bekannt. Dass diese Organe aber noch wichtige weitere Funktionen des Körpers erfüllen, ist schon weniger im Allgemeinwissen verankert. Tatsächlich haben die Nieren nämlich auch eine entscheidende Bedeutung für den Wasser-, Elektrolyt- und Mineralhaushalt, und sie steuern das Gleichgewicht von Säuren und Basen im Körper. Sie wirken mit an der Steuerung verschiedener Hormone, an der Bildung roter Blutkörperchen und haben Einfluss auf den Blutdruck sowie den Knochenstoffwechsel.
Dass die Abnahme bzw. ein Verlust der Nierenfunktion auf den Organismus dementsprechend vielerlei Auswirkungen haben wird, ist evident. Die eingeschränkte Funktion der Nieren wird als Niereninsuffizienz bezeichnet. Oft entwickelt sie sich im Rahmen der Alterung des Organismus, sie kann aber auch als Folge von Erkrankungen entstehen; am häufigsten sind unbemerkt ablaufende Entzündungsreaktionen wie bspw. Glomerulonephritis, nierenschädigende Substanzen, Zuckerkrankheit oder Harnabflussstörungen. Die betroffenen Nephrone – das sind die funktionellen Einheiten – der Nieren werden dadurch zerstört. Das noch gesunde Nierengewebe kann bis zu einem bestimmten Grad die Funktion der abgestorbenen Nephrone übernehmen. Daher ist ein schleichender, oft unbemerkter Verlauf typisch für die chronische Niereninsuffizienz. Erst wenn 65-70% der Nephrone zerstört sind, kommt es zum Auftreten von Symptomen (siehe Kasten). Der noch funktionstüchtige Teil der Nieren reagiert mit Anpassungsmechanismen, die zu einer Störung im Kalzium- und Phosphatstoffwechsel führen, in weiterer Folge zu einer Entkalkung der Knochen und einer Verkalkung der Nieren, was das Fortschreiten der Erkrankung wiederum beschleunigt – also ein unheilvoller Teufelskreis.
Häufigkeit der chronischen Niereninsuffizienz
Die Häufigkeit der chronischen Niereninsuffizienz bei Hunden wird in der Literatur mit 0,5-7% angegeben (Y. Miyagawa et al., 2010). Die Häufigkeit steigt mit dem Alter und soll bei Hunden älter als 8 Jahre sogar um die 45% betragen (S. Forterre, 2003), wobei vermutlich leichte und nicht erkannte Formen der Erkrankung in diesem erstaunlich hohen Prozentsatz inkludiert sein dürften.
Frühzeitige Erkennung wichtig!
Die frühzeitige Erkennung einer chronischen Niereninsuffizienz (im Rahmen von Blut- und Harnuntersuchungen beim Tierarzt) ist deswegen sehr wichtig, um mögliche Ursachen zu erkennen und zu behandeln, wie bsp. Harnabflussstörungen, Entzündungen usw. Allerdings – in der überwiegenden Zahl der Fälle ist bei der chronischen Niereninsuffizienz keine behandelbare Ursache auszumachen, sodass das Hauptziel darin besteht, das Voranschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Ein zentraler Aspekt sind dabei diätetische Maßnahmen, wie zahlreiche Studien belegen (J. Elliot et al, 2000; F. Jacob et al, 2002; S. Forterre, 2003; P. Roudebush et al, 2010). Insofern wirkt also eine spezielle Nierendiät noch am „ursächlichsten“. Begleitsymptome der Niereninsuffizienz wie Bluthochdruck, Erbrechen oder Blutarmut können durch entsprechende Medikamente gemildert werden. Da diese an die jeweils individuelle Situation des Hundes angepasst werden müssen, sind regelmäßige Besuche beim Tierarzt mit Kontrollen der Blut- und Harnwerte erforderlich.
Wichtig bei Hunden mit chronischer Niereninsuffizienz ist auch die ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit. Aufgrund der Unfähigkeit der erkrankten Nieren, den Urin zu konzentrieren, kommt es zu einer vermehrten Urinmenge (Polyurie).
Wenn dieser Flüssigkeitsverlust nicht durch die Trinkwasseraufnahme ausgeglichen wird, kommt es zur Austrocknung des Hundes, ein Zustand, der schnell lebensbedrohlich werden kann.
Diätetische Maßnahmen bei der chronischen Niereninsuffizienz.
Auch wenn man also diese Erkrankung zumeist – leider – nicht heilen kann, so ist es doch möglich, durch eine speziell formulierte Nierendiät ihr Fortschreiten zu verlangsamen und dadurch die Lebensdauer des Hundes zu verlängern und seine Lebensqualität zu erhalten bzw. zu verbessern. Dazu gibt es, wie schon erwähnt, zahlreiche Studien.
Eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit der Universität Minnesota (USA) untersuchte publizierte Studien, welche Behandlungen das Leben für Hunde, die an einer chronischen Niereninsuffizienz leiden, verbessern (P. Roudebush et al, 2010). Das Neue an dieser Arbeit: Die Ergebnisse der analysierten Studien wurden nach den Kriterien der „evidenzbasierten Medizin“ ausgewertet, wobei Grad 1 höchste und Grad 4 geringe Evidenz für das Ergebnis bezeichnet.
Je höher die Evidenzklasse, desto besser ist die wissenschaftliche Begründbarkeit für eine Therapieempfehlung. Das überraschende Ergebnis dieser Studie: Den höchsten Evidenzgrad für die Wirksamkeit der Behandlung einer chronischen Niereninsuffizienz wies die Verabreichung einer nierenspezifischen Diät auf.
Eine randomisierte kontrollierte Doppelblind-Studie über den Einfluss einer Nierendiät auf das Fortschreiten einer chronischen Niereninsuffizienz bei Hunden kam zu folgenden Ergebnissen (F. Jacob et al, 2002):
Die Nierenfunktion bei den Diät-gefütterten Hunden nahm bei Weitem nicht so rapide ab, wie es bei den Tieren ohne Diät der Fall war. Das hatte zwei entscheidende Folgen:
1. Innerhalb der zweijährigen Studiendauer war das Risiko der Hunde, die mit einer Nierendiät gefüttert wurden, eine Urämie (Harnvergiftung durch komplettes Nierenversagen) zu erleiden, um 72% geringer als das der Hunde, die kein nierenspezifisches Futter erhielten.
2. Hunde, die mit einer Nierendiät gefüttert wurden, hatten eine dreimal höhere Überlebensdauer als die ohne Diät.
Weitere Studien mit Befragung von Hundehaltern (u.a. F. Jacob et al, 2004) zeigen, dass eine Nierendiät auch die Lebensqualität des Hundes stark verbessert.
Spezialfutter
Eine Ernährung des Hundes, die auf die chronische Niereninsuffizienz abgestimmt ist, enthält im Vergleich zu Normalfutter geringere Mengen an Eiweiß, Phosphor und Natrium, während der Anteil an Ballaststoffen, B-Vitaminen, Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren erhöht ist
(P. Roudebush et al, 2010). Aufgrund der Verringerung der Eiweißmenge sollte dieses dafür höherwertig sein.
Es gibt Hundehalter, die sich zutrauen, eine derart ausbalancierte Nahrung selbst zuzubereiten, wobei allerdings schon allein die Phosphor-Reduktion, die ja auch nicht komplett erfolgen darf, schwierig zu bewerkstelligen ist. Auch die Energiezufuhr ist entsprechend zu berücksichtigen. Tierärzte empfehlen daher zumeist eine kommerziell erhältliche Nierendiät, in der die erforderlichen Bestandteile nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewogen formuliert sind. Wäre dies nicht der Fall, wären die gewünschten positiven Auswirkungen auf die chronische Niereninsuffizienz mit Verlangsamung ihres Fortschreitens nicht erreichbar. Wichtig ist darüber hinaus aus schon erwähntem Grund auch die ausreichende Versorgung mit Wasser, sodass manche Hundehalter lieber feuchtes Diätfutter geben oder aber bei Trockennahrung noch extra Wasser zufügen.
Schlussfolgerung
Die aktuelle wissenschaftliche Datenlage beweist mit höchstem Evidenzgrad, dass die Fütterung eines chronisch niereninsuffizienten Hundes mit einem speziellen Nieren-Diätfutter ihm das vorzeitige Erleiden einer Urämie erspart und seine Lebensdauer um das Dreifache gegenüber Hunden ohne Diät verlängert. Zudem verbessert eine Nierendiät auch die Lebensqualität eines nierenkranken Hundes.